Eine tarifliche Regelung, die für Überstundenzuschläge das Überschreiten der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, diskriminiert Teilzeitbeschäftigte. Betroffene Arbeitnehmerinnen haben zudem eine Entschädigung wegen mittelbarer Geschlechtsdiskriminierung.

Hintergrund

Eine Pflegekraft arbeitete in Teilzeit mit 40 % für einen ambulanten Dialyseanbieter. Laut Tarifvertrag sind Überstunden, die über die reguläre monatliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft hinausgehen und nicht durch Freizeit ausgeglichen werden, mit einem 30% Zuschlag zu vergüten. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine Honorierung durch entsprechende Zeitgutschriften im Arbeitszeitkonto vorgesehen.

Doch der Arbeitgeber hielt sich bei der Teilzeitkraft nicht an diese Regelung: Die Pflegekraft hatte bis März 2018 ein Arbeitsguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten, ohne eine entsprechende Vergütung oder Zeitgutschrift zu erhalten.

Sie fühlte sich benachteiligt und argumentierte, dass Teilzeitbeschäftigte ungerecht behandelt werden, da es keinen anteiligen Überstundenzuschlag für Teilzeitkräfte gibt. Zudem sah sie eine indirekte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, da 90 % der Teilzeitkräfte Frauen sind. Sie verklagte ihren Arbeitgeber und verlangte eine Zeitgutschrift von 38 Stunden und 49 Minuten sowie eine Entschädigung.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab der Pflegekraft in ihrem Anliegen Recht und gewährte ihr die geforderte Zeitgutschrift. Zudem wurde dem Arbeitgeber auferlegt, eine Entschädigung in Höhe von 250 EUR zu zahlen.

Das Gericht stellte fest:

  1. Die bestehende Tarifregelung benachteiligt Teilzeitkräfte, da sie keinen anteiligen Überstundenzuschlag bietet. Dadurch verstößt sie nicht nur gegen das Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten, sondern auch gegen das allgemeine Prinzip der Gleichbehandlung am Arbeitsplatz.
  2. Ein gerechtfertigter Grund für diese Ungleichbehandlung war nicht erkennbar. Teilzeitbeschäftigte erbringen die gleiche Arbeit wie Vollzeitkräfte und sollten daher auch für geleistete Überstunden entsprechend vergütet werden.
  3. Der Entschädigungsbetrag soll sowohl den immateriellen Schaden der Betroffenen ausgleichen als auch eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber entfalten.